5.Mai2020 Zurück in die Stadt. Zurück in ”meine Wohnung“. Zurück in die Normalität.

Aber was ist schon Normalität? Alle reden davon. Alle wollen zurück. Alle wünschen sich wieder die Normalität herbei.

Nun bin ich diesen Schritt gegangen. Und ich kann euch sagen: es ist langweilig. Immer die gleichen Gesichter, wenn ich einkaufen gehe. Die gleichen Reaktionen, wenn Unbekannte mich auf den Straßen sehen. Tuck-tucks, die durch den Stadtteil flitzen. Straßenhunde, die tagsüber schlafen und nachts ihre Revierkämpfe mit lautem Gebell austragen. Staubige Luft. Der Müll auf den Straßen. Die bruzelnde Mittagssonne. Den Kaffee nach türkischer Art zubereiten. Die ägyptischen Speisen. Die arabische Sprache, die mich umgibt, sobald ich das Fenster öffne. Das ständige Hupen höre ich auch ohne das Fenster zu öffnen. Der Anblick der Pyramiden, wenn ich nach Kairo fahre. Mittlerweile weiß ich auch, welche Uhrzeit es ist, wenn ich den Muezzin höre.

Im Schatten lässt es sich am besten schlafen.

All das, was am Anfang ungewohnt und fremdartig war, ist nun zur Normalität geworden. Ist Normalität also der Zustand, an den wir uns gewöhnt haben? Sind es die Situationen, die wir schon einmal erlebt haben, und welche sich wieder und wieder wiederholen? Konditionieren wir uns selbst? Oder folgen wir einfach der Konditionierung anderer?

Neue Wege zu gehen, bedeutet mit Kopf und Herz sein Leben zu gestalten. Und das ist alles andere als einfach. Für einen selbst. Und für das Umfeld. Wenn wir uns tagtäglich etwas neues zutrauen, etwas neues ausprobieren, überraschen wir uns selbst. Auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist. So bleibt unser Geist wach und das Herz erfreut sich. Und die Mitmenschen halten uns für verrückt. Weil wir uns anders verhalten, als sie es gewohnt sind. Der Mensch ist also ein Gewohnheitstier. Gewohnheit mag zunächst weder gut noch schlecht sein. Vermutlich einfach nur eine Struktur, die der Mensch braucht, um das System, welches er Leben nennt, zu verstehen. Ja. Die Gewohnheit. Sie ist es, die jetzt alles beim alten haben möchte. Die Sicherheit vortäuscht. Die Normalität möchte. Bei der das Herz und das Hirn im Idealfall ausgeschalten sind.

Der Mensch ist das einzige Lebewesen, welches sinnlose Dinge tut.

Frei nach Richard David Precht.

Interessant zu erkennen, wie sich Gedanken entwickeln. Wie sie so, oder so ähnlich andere schon formuliert haben. Wie unsere Gedanken uns manipulieren können. Oder wie wir unsere Gedanken manipulieren. Oder gar die unserer Mitmenschen.

Durch die aktuellen Zeichen der Zeit wurden wir aus unserem Gedankenmuster geholt. Wir wurden sogar regelrecht rausgeworfen aus unserer Gewohnheit. Wir sind angehalten worden, um nachzusinnen: Steuern unsere Gedanken uns? Oder wir sie? Was bin dann ich? Wie habe ich all mein Leben gelebt? Möchte ich das weiterhin so? Was kann ich ändern? Was verbessern? Und…oje…werde eines Tages etwa auch ich sterben?

Kaffee mit einer feinen Cardamom-Note

Ich bin auf dem Balkon. In der Hängematte. Es ist gleich 1Uhr nachts. Was machen nur die Leute auf der Straße? Es hört sich an als ob Kisten umgeladen werden. Begleitet von lauthalsigen Gesprächen. Es könnten Kisten vom Transporter in den Supermarkt gebracht werden. So klingt es. Ein Motorrad fährt vorbei. Und das alles, obwohl seit vier Stunden Lockdown herrscht. Auch dem Rudel Hunde, die ich gerade zu Gesicht bekomme, interessiert der Lockdown wenig. Sie machen ihre Route.

Welche Freude in der Ferne zu sehen ist.

Und beinah bin ich mir selbst auf den Leim gegangen. Beinah habe ich mir die Normalität meines Lebens abgekauft. Da muss ich aber über mich selbst lachen. Was ist schon normal? Jeden Tag zelebriere ich auf seine eigene Weise. Jeder Tag ist etwas Besonderes. Täglich auf’s neue lasse ich mich vom Leben überraschen. Schließlich weiß ich ja nicht, wie lange ich noch in Ägypten bin. Also, mache ich das beste daraus. Das ist wohl eine Lebenseinstellung, die durch das Reisen intensiviert wird.

Wer weiß wie lange wir hier sind. Auf Erden. Also, lasst uns das Beste daraus machen. Und das Beste ist bestimmt fernab von Normalität. Wir sind in Zeiten großer Veränderungen. Es ver-rückt sich sozusagen vieles auf einmal. Lasst uns aufbrechen. Auf in eine neue Zeit: die Verrücktität.

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